Zitierung: BVerfG, 2 BvR 2101/09 vom 9.11.2010, Absatz-Nr. (1 - 62), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20101109_2bvr210109.html
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In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
- Bevollmächtigte:
- Rechtsanwalt Dr. Franz Bielefeld,
in Sozietät RP Richter & Partner,
Nymphenburger Straße 3b, 80335 München
- Bevollmächtigter zu Ziffer 1. -, - Rechtsanwalt Kai König,
c/o Nachmann Rechtsanwalts GmbH,
Theatinerstraße 15, 80333 München
- Bevollmächtigter zu Ziffer 2. -
gegen a) | den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 7. August 2009 - 2 Qs 2/09 -, |
b) | den Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 8. April 2009 - 64 Gs-35 js 220/07-1491/08 -, |
c) | den Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 10. April 2008 - 64 Gs 1491/08 - |
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Osterloh
und die Richter Mellinghoff,
Gerhardt
und die Richter Mellinghoff,
Gerhardt
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 9. November 2010 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die
Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung in einem steuerstrafrechtlichen
Ermittlungsverfahren. Die Beschwerdeführer wenden sich dagegen, dass der
Anfangsverdacht auf Daten gestützt worden ist, die die Bundesrepublik
Deutschland von einer Privatperson aus Liechtenstein erworben hat.
I.
Gegen die Beschwerdeführer wird wegen des Verdachts der
Einkommensteuerhinterziehung in den Veranlagungszeiträumen 2002 bis 2006
ermittelt.
1. Das Amtsgericht Bochum ordnete mit Beschluss vom
10. April 2008 die Durchsuchung der Wohnung der Beschwerdeführer an. Im
Rahmen der Ermittlungen gegen einen Liechtensteiner Treuhänder sei
bekannt geworden, dass die Beschwerdeführer bei der L. AG in
Liechtenstein am 17. Januar 2000 die K. Stiftung und am 14. Juni 2000
die T. S.A. gegründet hätten. Vermögensanlagen über diese Gesellschaften
bei der L. AG in Liechtenstein seien den Beschwerdeführern zuzurechnen.
Der Beschwerdeführer zu 1. habe zudem ein Konto bei der B. Bank in den
Steuererklärungen nicht angegeben. Es seien Kapitalerträge aus den
Vermögen der Stiftung und der S.A. in Höhe von etwa 2.000.000 DM nicht
erklärt und dadurch voraussichtlich Steuern in den Jahren 2002 bis 2006
zwischen 16.390 € und 24.270 € verkürzt worden.
Bei der am 23. September 2008 vollzogenen Durchsuchung
wurden ein Umschlag mit Unterlagen der L. AG sichergestellt und fünf
Computerdateien ausgedruckt.
2. Die Beschwerdeführer legten gegen die
Durchsuchungsanordnung Beschwerde ein und beantragten umfassende
Akteneinsicht. Sie seien daran interessiert, die Daten einzusehen, die
die Grundlage der Durchsuchungsanordnung bildeten.
Die Staatsanwaltschaft gewährte Akteneinsicht in die
Ermittlungsakte und teilte den Beschwerdeführern mit, dass eine
Akteneinsicht in alle Akten über die Gewinnung, den Weg und den Inhalt
von Daten der L. AG nicht gewährt werden könne, weil darin Daten einer
Vielzahl von Beschuldigten enthalten seien, die durch das
Steuergeheimnis geschützt würden. Es könne jedoch mitgeteilt werden,
dass es sich um Daten handele, die der Steuerfahndung im Wege der
Amtshilfe durch den Bundesnachrichtendienst zur Verfügung gestellt
worden seien.
Der Beschwerdeführer zu 1. beantragte daraufhin Einsicht
in das Sicherstellungsverzeichnis bezüglich des Datenträgers und in
Protokolle über die Vernehmung der Person, die die Daten geliefert habe.
Auf diesen Antrag teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass diese
Unterlagen bei den Ermittlungsbehörden nicht vorhanden seien. Den
Beschwerdeführern wurde Einsicht in die bei der Staatsanwaltschaft
vorhandenen Ermittlungsakten gegeben.
3. a) Mit der Beschwerde machten die Beschwerdeführer
geltend, die der Durchsuchung zugrundeliegenden Erkenntnisse seien
unverwertbar. Die Erhebung der verfahrensgegenständlichen Daten verstoße
gegen das Völkerrecht, weil die Bundesrepublik die Daten außerhalb des
Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in
Strafsachen und des Übereinkommens über Geldwäsche sowie Ermittlung,
Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten vom 8. November
1990 erlangt habe. Die Verwendung der Daten verstoße auch gegen
innerstaatliches Recht. Die Entgegennahme der Daten durch den
Bundesnachrichtendienst sei rechtswidrig und strafbar gewesen. Der
Bundesnachrichtendienst sei zur Entgegennahme der Daten nicht ermächtigt
gewesen; die Weitergabe an die Staatsanwaltschaft verstoße darüber
hinaus gegen das Trennungsgebot. Der Ankauf der Daten sei auch strafbar
gewesen, denn hierdurch sei gegen § 17 Abs. 2 des Gesetzes gegen den
unlauteren Wettbewerb (UWG) verstoßen worden.
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