Steuerhinterziehung: Razzia bei deutschen Kunden der Credit Suisse
10.07.2012, 19:25 Uhr
exklusiv Die deutsch-schweizerischen Beziehungen stehen vor einer neuen Härteprobe. Nach einem Datenleck werden wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung Wohnungen von deutschen Kunden der Credit Suisse durchsucht. - Soziale Netzwerke dauerhaft einschalten
DüsseldorfNach Recherchen des Handelsblattes laufen derzeit bundesweit Hausdurchsuchungen von Steuerfahndern bei deutschen Kunden der Credit Suisse. Grund sind neue Erkenntnisse über Scheinversicherungen, sogenannte Bermuda-Produkte, mit denen Milliarden von Euro am deutschen Fiskus vorbeigeschleust wurden. Beteiligte berichten, bei der Credit Suisse herrsche nun der Ausnahmezustand. Banksprecher Marc Dosch sagte dem Handelsblatt: „Wir haben Kunden geraten, Steuerexperten beizuziehen, um Steuersituationen zu überprüfen und gegebenenfalls eine Selbstanzeige vorzunehmen.“
Dosch machte zur Zahl der Kunden und der Höhe des betroffenen Anlagevolumens keine Angaben. Nach Informationen aus Bankkreisen sind es rund 7000 Kunden, die meisten davon Deutsche. Die Höhe der unversteuerten Gelder schätzen Beteiligte auf mehrere Milliarden Euro. Fahnder berichten, der neue Datensatz ergebe bei der Suche nach unversteuerten Vermögen eine Trefferquote von fast 100 Prozent. Im Schnitt gehe es um Anlagebeträge von rund 500.000 Euro, es gebe aber auch Einzelfälle von zwölf Millionen Euro und mehr.
Die Geschichte des Steuerstreits
Der Fall Zumwinkel
14. 2. 2008: Ermittler der Bochumer Staatsanwaltschaft durchsuchen das Büro und die Privaträume von Post-Chef Klaus Zumwinkel. Vor Zumwinkels Villa warteten bereits zahlreiche TV-Kamerateams. Dem Spitzenmanager wurde vorgeworfen, rund eine Million an Steuergeld hinterzogen zu haben. Die Ermittlungen gegen Zumwinkel standen in Zusammenhang mit der Liechtensteiner Steueraffäre und mit Geldanlagen in einer speziellen Stiftung nach liechtensteinischem Recht über die LGT Bank. Da sich Zumwinkel kooperativ zeigte und vier Millionen Euro als Sicherheitsleistung hinterlegte, wurde ein gegen ihn bestehender Haftbefehl außer Vollzug gesetzt.Mit der „Peitsche“ gegen die Schweiz
27. 10. 2008: Bundesfinanzminister Peer Steinbrück richtet in einer TV-Sendung massive Vorwürfe gegen die Schweiz. Um an die geschätzten 80 Milliarden Euro Schwarzgeld heranzukommen, die Deutsche auf Schweizer Bankkonten gebunkert haben sollen, werde Deutschland nun „die Peitsche einsetzen“, kündigte er an. Schon zuvor hatte Außenministerin Micheline Calmy-Rey den deutschen Botschafter einbestellt und ihm gesagt, sie sei „befremdet und vor allem enttäuscht über Steinbrücks Tonfall“. Die rechtskonservative SVP erklärte: „Heute will Herr Steinbrück wie 1934 den Geschäftsverkehr zur Schweiz belasten, was wird dieser Mann wohl in fünf Jahren tun?“Steinbrück und die Kavallerie
14. 3. 2009: Finanzminister Steinbrück fordert erneut die Alpenrepublik heraus. Er vergleicht die Schweizer mit Indianern und eine geplante schwarze Liste der OECD, die Steueroasen an den Pranger stellen soll, mit der Kavallerie : „Die kann man ausreiten lassen. Aber die muss man nicht unbedingt ausreiten lassen. Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt.“ Daraufhin wurde der deutsche Botschafter mehrmals ins Schweizer Außenministerium einbestellt.NRW kauft Steuer-CD
26. 2. 2010: Das nordrhein-westfälische Finanzministerium kauft für 2,5 Millionen Euro eine CD mit Datensätzen von 1400 mutmaßlichen Steuersündern. Die Auswertung der Daten führt auch zu Schweizer Banken.Julius Bär kauft sich frei
14. 4. 2011: Das Bankhaus Julius Bär zahlt 50 Millionen Euro an das Land Nordrhein-Westfalen, um sich aus einem Steuerverfahren freizukaufen. Es wurde gegen rund 100 Kunden ermittelt.Erster Versuch eines Abkommens
10. 8. 2011: Deutschland und die Schweiz paraphieren ein Abkommen über die Besteuerung der Gelder deutscher Kapitalflüchtlinge auf Schweizer Bankkonten. Das Abkommen muss noch von den Parlamenten beider Länder gebilligt werden. Es geht den von SPD und Grünen geführten Bundesländern aber nicht weit genug.Credit Suisse kauft sich frei
19. 9. 2011: Die Schweizer Großbank Credit Suisse einigt sich mit der Staatsanwaltschaft Düsseldorf. Gegen eine Zahlung von 150 Millionen Euro stellt die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen die Mitarbeiter der Bank wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ein. Der deutsche Fiskus nahm durch die CD-Daten geschätzte 400 Millionen Euro ein.NRW kauft noch eine CD
14. 10. 2011: Mit einem Millionenbetrag kauft NRW noch eine CD. Auf ihr enthalten sind die Daten von 3000 mutmaßlichen Steuerhinterziehern. Der Kauf ist mit dem Bund abgestimmt.Die Schweiz schlägt zurück
31. 3. 2012: Es wird bekannt, dass die Schweizer Justiz Haftbefehle gegen drei nordrhein-westfälische Steuerfahnder wegen deren Ermittlungen gegen Steuerflüchtlinge erlassen hat. Die Finanzbeamten sollen 2010 am Ankauf einer CD mit Daten deutscher Bankkunden in der Schweiz beteiligt gewesen sein. Die Schweiz wirft ihnen „nachrichtliche Wirtschaftsspionage“ vor. Sie sollen über einen Mittelsmann Anfang 2010 einen Mitarbeiter der Credit Suisse zum Datendiebstahl angestiftet haben. Das belegten SMS auf dem Handy des Datendiebs. „Die Daten wurden den Fahndern angeboten“, sagte dagegen ein Kenner des Falls dem Handelsblatt.Credit Suisse warnt Mitarbeiter
April 2012: Credit Suisse gibt für Mitarbeiter eine Reisewarnung für Deutschland aus, weil ihnen eine Verhaftung drohen könnte.
Bei den Scheinversicherungen handelt es sich um Produkte der Credit Suisse Life mit Sitz auf Bermuda. Insider berichten, die Bank haben normale Konten als steuerfreie Versicherungen getarnt und so den Fiskus betrogen. Dosch hingegen betonte: „Der Kunde hat unterschrieben, dass er die Steuersituation selber klären muss.“ Er fügte allerdings hinzu, die entsprechenden Produkte würden deutschen Kunden nicht mehr offeriert.
Europäische Banken
Nach Informationen des Handelsblattes aus Bankenkreisen gelangten die verfänglichen Daten über ein Leck innerhalb der Bank an die deutschen Steuerfahnder. Welcher Bankmitarbeiter möglicherweise Daten kopierte und weitergab, steht nicht fest. Ebenfalls unklar ist, ob die deutschen Steuerbehörden für die Information etwas bezahlten. Die Koordination der Ermittlungen läuft über die Steuerfahndung Wuppertal. Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans wollte die Existenz dieses Falles weder bestätigen noch dementieren.
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